
von Jan Reumann
Vor ein paar Monaten während des Judo-Trainings stand „Er“ auf einmal in der Halle. „Er“, schwarze Haare, recht dünn, gar nicht schüchtern. Während ich mich noch fragte, wer „ER“ wohl ist, rief einer von hinten: „ Ah, das ist einer von den Syrern, die jetzt in Surendorf wohnen“. Ach ja, da hätte ich ja auch selbst darauf kommen können! Also bin ich hin und hab ihn gefragt, ob ich ihm helfen könne. Deutsch verstand „ER“ leider nicht, Englisch ein bisschen. „Er“ erklärte mir sehr gestenreich, dass „Er“ gerne am Judo-Training teilnehmen wolle.
Ok, dachte ich mir. Wir haben sogar noch einen Judoanzug in der Abteilung, den kann „Er“ ja bekommen. Etwas klein ist der Anzug, aber das macht ja nichts.
Seitdem kommt „Er“ zum Judo. „Er“ heißt übrigens Hilal. Beim Judo-Training nennen wir ihn einfach Hilli! Hilli ist 17 Jahre alt und ist mit seiner Familie aus Syrien geflohen.
Zu Hause haben wir dann über Hilli und seine Familie gesprochen. Sein kleiner Bruder geht sogar mit meinem Sohn in die erste Klasse. „ Nee, deutsch kann Hillis Bruder auch nicht. Das ist doch ganz egal Papa, wir verstehen ihn trotzdem. Außerdem ist er super stark und man kann in den Pausen ganz cool mit ihm spielen“, erklärte mir mein kleiner Sohn. Meine Jungs wollten wissen, ob Hilli denn auch stärker wäre als ich. „ Keine Ahnung“, habe ich ihnen geantwortet. „ Auf jeden Fall ist er viel mutiger als ich“. „Mutiger, als du Papa???“ (Für meine Jungs bin ich eben der mutigste Papa auf der Welt?)!
Dann habe ich es ihnen mal erklärt:
„ Stellt euch mal vor, in Deutschland wäre Krieg. Wir müssten alles zurücklassen und in Todesangst fliehen. Wir finden ein Land, vielleicht Syrien, welches uns erst einmal duldet. Ob wir bleiben dürfen, dass wissen wir nicht. Die Menschen hier in Syrien sehen ganz anders aus, sie kochen auch ganz anders. Auch die Landschaft sieht hier anders aus und die Menschen haben einen anderen Glauben als wir. Freunde haben wir keine. Es versteht uns auch keiner, aber wir leben. Wir machen uns Sorgen um unsere Familie und Freunde, die noch in Deutschland geblieben sind. Wir wollen nach Hause, nach Deutschland! Geht aber nicht! Was würden wir tun? Wir würden uns den ganzen Tag in unserer Unterkunft verkriechen, fern sehen und uns zu Recht selbst bemitleiden! Nicht so Hilli! Hilli ist zu uns in die Sporthalle gekommen und möchte mit uns Sport machen.“
Und nicht nur zum Judo ist er gekommen. Er spielt auch Badminton und Fußball. Hilli hatte den Mut auf uns zuzugehen. Das hätte ich mich wohl so nicht getraut!
Mittlerweile ist Hilli beim Sport voll integriert. Wir verständigen uns immer noch mit Händen und Füßen, das ist aber egal.
Manchmal, wenn wir hart kämpfen, dann spüre ich, dass da ein „dunkler Schatten“ in seiner Vergangenheit liegt. Gefragt habe ich ihn danach nie. Hilli ist hier angekommen und sieht nach vorne. Er möchte gerne zur Schule gehen, denn in Syrien wäre er ein guter Schüler gewesen. Welche Schule ich ihm empfehlen könnte.
Mensch Hilli, du bist echt stark!
Wenn ich abends die Nachrichten sehe und wieder der Tod von so vielen Flüchtlingen bekanntgegeben wird, dann haben diese Menschen für mich heute ein Gesicht. Ich bin durch Hilli und seine Familie viel empfindsamer geworden. Es sind für mich keine Fremden mehr!
Wahrscheinlich wird Hilli mit seiner Familie nicht in Schwedeneck bleiben, aber Eines ist völlig klar: Wenn du irgendwann mal Hilfe oder Unterstützung brauchst, dann komm nach Hause, nach Schwedeneck. Wir werden dir und deiner Familie helfen, denn du bist ein echter „Schwedenecker“!
Diesen Artikel habe ich für die CDU Schwedeneck geschrieben. Er könnte aber wahrscheinlich genauso in der „Wir“ der SPD oder der UBS „Inside“ stehen.
Wir sind uns in diesem Punkt alle einig: In Schwedeneck sind Flüchtlinge herzlich willkommen!
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