Auf der Spur der Hünengräber
Schwedenecks Gemeindewappen zeigt ein Hünengrab. Wo zwischen Surendorf, Sprenge und Birkenmoor Bauern ackern, lebten schon vor 5500 Jahren Menschen. Sie ehrten Verstorbene und kannten offenbar keine Hierarchie. Waren die Ahnen ihre Schutzgeister? Ihre Kultur ist immer noch ein Mysterium. Bei der Hünengrabführung am Wochenende in Birkenmoor fühlten sich die Besucher hinein.
Der Wind rauscht so laut in Eichen und Buchen, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. Gerhard Dehning muss gegenan schreien. Trotzdem werden die Worte hier oben auf den Gräbern verschluckt. Der Vor- und Frühgeschichtler aus Kiel geleitet 30 Gäste aus dem Wohld und Kiel auf die Äcker. Der CDU-Ortsverband hat den Archäologen und Geologen dafür eingeladen. Diesen länglichen Hügel, der aus der Ferne wie ein überdimensionaler Petersilienstrauß aus dem gepflügten Feld ragt, hat die Gruppe über Stock und Stein hinweg erklommen. Einen Weg herauf gibt es nicht. Mit Gehstock war das für Willi Brandenburg nicht einfach. Aber der 88-Jährige lässt sich nicht abschrecken. Er musste einfach mit. Später, beim Kaffeeplausch mit dem Fachmann am Feuerwehrhaus Birkenmoor, wird er ein Prunkstück aus dem Leinenbeutel holen. Vielleicht wird Dehning das Geheimnis um das gewaltige Steinbeil vom Acker des Nachbarn aufdecken, über das zwei Familien seit Jahrzehnten rätseln. „Ich wüsste zu gern, was diese Leute genau gemacht haben“, murmelt Brandburg. „Wir stehen auf einem Langbett“, ruft Dehning gegen den Wind. „Diese Kollektivgräber stammen von 3500 bis 3300 vor unserer Zeit. Binnen 200 Jahren entstanden wohl hunderte Grabanlagen in der Umgebung, die dichter Dschungel war. 18 davon sind sehr gut erhalten. Die Menschen lebten in Wassernähe und benutzen vielleicht auch Boote. Sie wählten immer kleine Höhenzüge, um ihre Toten zu bestatteten.“ Sollten sie etwa die Lebenden, die in Senken Quartier machten, bewachen? Auf jeden Fall sollten die Verstorbenen es gut haben in den steinernen Kammern, deren sorgsame Konstruktion unvorstellbare Leistungen waren. Grabbeigaben fand man, trichterförmige Becher, doch keine Anzeichen, dass die exponierten Stätten besonderen Menschen vorbehalten waren. Manches Langbett soll nie für ein Begräbnis genutzt worden sein. War es ein kultischer Treffpunkt? „Auch für Archäologen sind das noch Rätsel. Über Jahrtausende wurden Gräber geplündert, Steine anders verwendet. Wir erfahren also nicht mehr viel“, fügt Dehning hinzu, als die Gruppe wieder unten im Windschutz steht. Dann weist er in die Ferne. Auf der anderen Seite der Straße ragen aus den Feldern die Felsblöcke zweier Einzelgräber und ein weiterer bewachsener Grabhügelheraus. Teils sind das Urdolmen, in denen nur ein bis zwei Personen die letzte Ruhestätte fanden. „Dort gehen wir nicht hin“, sagt er. „Diese Äcker sind schon neu bestellt. Vielleicht können Sie zu anderer Zeit hin spazieren.“ Bandenburg, der in Birkenmoor Landwirt war, kennt diese Gräber genau. Die Mühe wird er sich sparen. Aber als Dehning sein Steinbeil untersucht, keimt Hoffnung. „Vulkanisches Gestein“, stellt der fest. „Extrem kunstvoll gefertigt. Halten Sie es in Ehren. Mehr erschließt sich mir nicht. Wir müssen mit Rätseln leben.“
Quelle: Cornelia Müller am 26.08.2013 in den "Kieler Nachrichten"
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