"Talk vor Ort" mit Rainer Eppelmann

10.04.2013

Am Mittwoch, den 10. April 2013, lud die CDU-Schwedeneck in ihrer Veranstaltungsreihe "Talk vor Ort" in "Mißfeldt's Gasthof" nach Schwedeneck-Surendorf ein. Ab 19:00 Uhr sprach Rainer Eppelmann zum Thema "Vom 17. Juni 1953 bis zur Wiedervereinigung". Eppelmann ist ehemaliger Pfarrer in Ost-Berlin, Oppositioneller, Gründungsmitglied und Vorsitzender des „Demokratischen Aufbruchs“, ehemaliger Minister und Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

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Folgend die Berichterstattung aus der Presse:


Die gefühlsmäßig schönste Nacht 

Eppelmann blickte auf die DDR und den Mauerfall zurück

Schwedeneck. Volksaufstand und Mauerbau, Stasi-Spitzel und Montagsdemonstrationen: Der ehemalige Ostberliner Pfarrer und DDR-Oppositionelle Rainer Eppelmann gab am Mittwochabend in Schwedeneck einen Einblick in das Leben hinter dem „Eisernen Vorhang“. Bei allen Ärgernissen, Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten sei die Demokratie im Vergleich zur Diktatur eine Kostbarkeit, betonte der 70-Jährige vor rund 80 Besuchern in Mißfeldts Gasthof.
Rainer Eppelmann war auf Einladung des CDU-Ortsverbandes zu Gast. Ihn und Gemeindevertreter Herbert Lorenz verbinde eine Freundschaft, verriet der Vorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. „Wir haben uns auf einer Reise durch Südostasien kennengelernt“, erzählte der ehemalige Bundestagsabgeordnete. Von derartigen Fernzielen konnten DDR-Bürger früher nur träumen. In seinem Vortrag mit dem Titel Vom 17. Juni 1953 bis zur Deutschen Einheit schilderte Eppelmann informativ und unterhaltsam, wie sich beide deutsche Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg komplett unterschiedlich entwickelten: Während sich der Westen zu einer Demokratie inklusive Wirtschaftswunder aufschwang, verkam der Osten zur Diktatur mit Spitzeleien und Misswirtschaft. „Die Hoffnung auf Freiheit, Wohlstand und Gerechtigkeit hörte in der DDR sehr schnell auf“, sagte der Gast. Nicht erst nach dem Volksaufstand am 17. Juni 1953 – unter anderem wegen der Erhöhung der Arbeitsnormen – kehrten die Bürger dem sogenannten Arbeiter- und Bauernstaat scharenweise den Rücken. Eppelmann: „Und zwar heimlich, weil sie sonst eingesperrt worden wären.“ Die Menschen nahmen dabei sogar in Kauf, ihr ganzes Hab und Gut zurückzulassen. „Die anderen wurden zu Flüsterern“, wie sich der Referent ausdrückte. Trotz der Mauer, deren Bau im August 1961 begann, wanderten die DDR-Bürger jeden Abend scharenweise aus – allerdings gab niemand zu, dass er ARD oder ZDF guckte. „Fast 30 Jahre haben wir Ihnen allabendlich zugeschaut“, so Eppelmann. Sehnsuchtsvoll verfolgten die DDR-Bürger auf dem heimischen Bildschirm, wie die Landsleute im Westen ihre neuen Häuser einrichteten, in ihren Autos („Aus Blech, nicht aus Pappe“) ins Büro oder zur Fabrik fuhren und verreisten. Auch protestierende Menschen sahen die DDR-Bürger, deren eigener Versuch beim Volksaufstand 1953 mithilfe von Panzern niedergeschlagen worden war, im Westfernsehen.
1982 veröffentlichte Eppelmann mit Regimekritiker Robert Havemann den „Berliner Appel“, worin zur Abrüstung in Ost und West aufgerufen wurde. Für diese politische Aktion kam er drei Tage lang in Haft, so der frühere Pfarrer. Nach seinen Worten wurde der Grundstein für die friedliche Revolution 1989 durch Zusammenkünfte in der Kirche gelegt. Als im Herbst zehntausende Demonstranten auf die Straße gingen, rieb sich die SED-Spitze die Augen. Eppelmann: „Jeder Einzelne war sich im Klaren darüber, dass er
ein großes Risiko einging.“ Nach seiner Schilderung nahmen die DDR-Bürger die Gefahr, inhaftiert zu werden, allerdings in Kauf, weil sie die Gängelung durch den Staat endgültig satthatten.
Nachdem Regierungssprecher Günter Schabowski am 9. November 1989 die Grenzöffnung verkündet hatte, begab sich auch Eppelmann an die Berliner Mauer, wo er beobachtete, wie sich wildfremde Menschen glücklich in den Armen lagen. „Das ist die gefühlsmäßig schönste Nacht meines Lebens“, sagt er. 

Quelle: Jan Torben Budde, Kieler Nachrichten, 12.4.2013

 


Jede Demokratie ist besser als eine Diktatur

KRUSENDORF Deutsche Gegenwartsgeschichte interessiert in der Gemeinde Schwedeneck anscheinend viele Menschen. Ansonsten sei die große Zahl an Besuchern nicht zu erklären, stellte Schwedenecks CDU-Vorsitzende Gundula Staack angesichts der etwa 90 Zuhörer fest, die zum Vortrag von Rainer Eppelmann unter dem Titel „Vom 17. Juni 1953 bis zur Deutschen Einheit“ im Rahmen der Reihe „Talk vor Ort“ in Mißfeldts Gasthof nach Krusendorf gekommen waren. Rainer Eppelmann, letzter Minister der Verteidigung Rainer Eppelmann engagierte sich als evangelischer Pfarrer in der DDR in der dortigen Opposition, war nach dem Mauerfall der letzte Verteidigungsminister der DDR, von 1990 bis 2005 saß der CDU-Politiker im Deutschen Bundestag und ist seit ihrer Gründung im Jahre 1998 ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Mit seinen Vorträgen will Eppelmann, wie er im Vorgespräch erläuterte, denjenigen, die seit Kriegsende in Freiheit und in einer lebendigen Demokratie leben, die traumatischen Erfahrungen ehemaliger DDR-Bürger näherbringen: „Ich will den Leuten vermitteln, dass Demokratie eine Kostbarkeit gegenüber der Diktatur ist“. Dass die Menschen in Ost und West 20 Jahre nach der Vereinigung gut zusammengewachsen sind, steht für Rainer Eppelmann außer Frage. „Am negativsten sehen wir Deutschen selbst die Themen Ost / West und Wiedervereinigung. Andere Länder schauen mit Hochachtung darauf, was wir in den Jahren seit der Vereinigung erreicht haben“, so Eppelmann, der durch seine Freundschaft zu Herbert Lorenz vom Vorstand der CDU Schwedeneck nach Surendorf kam. Eppelmann schilderte anhand von Beispielen chronologisch von 1945 bis zur Wiedervereinigung den Alltag der Menschen in der DDR, Menschen, deren Hoffnung nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit sich nach dem Ende des Dritten Reiches nicht erfüllte. Er schilderte, wie die Kirchen „ausgetrocknet“ wurden, ging ausführlich auf den mithilfe sowjetischer Panzer blutig niedergeschlagenen Aufstand am 17. Juni 1953 ein. Er zeigte auf, was es für DDR-Bürger bedeutete, zu fliehen und alles zurückzulassen in dem Bewusstsein, nie wieder zurück zu können. Der Bau der Mauer im August 1961 stellte den Höhepunkt dieser Entwicklung dar. Und doch: 95 Prozent der DDR-Bürger wanderten jeden Abend aus – sie sahen, was natürlich verboten war, Westfernsehen. „Wir sahen, was die alles hatten, was die für Reisen machten, was sich denen für Chancen und Möglichkeiten boten und was die für Autos fuhren – sogar aus Blech, nicht aus Pappe. Und wir dachten: Mann, geht es denen gut“, erinnert sich Rainer Eppelmann. Und natürlich bekamen auch die berühmten Montagsdemos, die letztendlich zum Fall der Mauer führten und die von einzelnen Kirchengemeinden ausgingen, ihren gebührlichen Rahmen in Eppelmanns Vortrag. Keiner wusste, ob er abends heil nach Hause kommt. Ebenso wie die Versuche der Staatsführung, diese Demos zu unterbinden und das Gefühl der Teilnehmer, nicht zu wissen, ob man heil nach Hause kommt oder doch zusammengeknüppelt, gar zusammengeschossen oder auch „nur“ eingesperrt wird. Zum Schluss seines Vortrags schilderte Eppelmann seine Gefühle, die ihn am Abend des 9. Novembers 1989 am Grenzübergang Bornholmer Straße in Berlin überkamen und kommt zu dem Ergebnis: „Das war bis heute die schönste Nacht meines Lebens“. Denn eine Diktatur sei das unmenschlichste System überhaupt – die schlechteste Demokratie sei allemal besser als eine Diktatur, so sein Fazit. Es war ein bewegender, in Teilen emotionaler Vortrag, der die Zuhörer berührte und bei dem man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass Rainer Eppelmann die Zeit noch einmal durchlebte. Referierte er anfangs meist ernst, sehr nachdenklich und mit fast düsteren Worten und tiefer Stimme, schien sich seine Stimmung zu Zeiten der Montagsdemos zu steigern. Mimik und Stimme änderten sich leicht, es wurde hier und dort Sarkasmus und Ironie eingestreut. Und es war ein Vortrag über Menschen, die in einer Diktatur lebten und die die Hoffnung nie aufgaben, wozu Rainer Eppelmann sagte: „Hoffnung ist nicht die Erwartung, dass etwas gut ausgeht – Hoffnung ist die Erwartung, dass eine Sache Sinn macht“.

Quelle: Dieter Suhr in Eckernförder Zeitung, 12.4.2013